Mehr kommunizieren & Weniger reden?!

„Die Generation, die nicht mehr spricht“ – so und ähnlich titeln deutsche Tageszeitungen wie die FAZ und berichten von der neuen Ofcom Studie, in der insgesamt 2000 Erwachsene und 800 Kinder zu ihrem Mediennutzungsverhalten befragt wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass Kinder und Jugendliche heute nicht nur mehr, sondern auch anders kommunizieren als Erwachsene und als junge Generationen vor ihnen. Während Erwachsene eher emails schreiben und telefonieren, sind für Heranwachsende Kurznachrichten und Soziale Netzwerke wie Facebook die Hauptkanäle ihrer Kommunikation. Dabei bleiben soziale Beziehungen auf der Strecke, so die Ergebnisse der Studie.

Warum dieser Kommunikationswandel? Whatsapp, Facebook Messenger & Co. ermöglichen eine unmittelbare, dauerhafte und flexible Kommunikation, – jederzeit, an jedem Ort und unabhängig von den Eltern für die Peers erreichbar sein. Das ist vor allem für junge Menschen und die Pflege ihrer Beziehungen zu Gleichaltrigen höchst bedeutsam. Heute lässt sich dieses bedürfnis mehr und besser als je zuvor mit den portablen, multimedialen Alleskönner wie dem Smartphone bedienen.

Keine echten Beziehungen mehr? Dass junge Menschen heute sehr viel über Messenger-Programme und Apps kommunizieren und dass sie bei Facebook weit mehr als 100 „Freunde“ in ihrer Kontaktliste haben, heißt keinesfalls, dass ihre „echten“ Beziehungen verkümmern – im Gegenteil: Medienbezogene Kommunikation im Jugendalter ist in erster Linie Beziehungspflege und Beziehungsaufbau. Die besten Freundschaften, die im schulischen Umfeld, in der Nachbarschaft oder im Sportverein entstehen, werden auch über digitale Dienste und Angebote weiter gepflegt und vertieft. Zusätzlich verfügen junge Menschen heute über einen enormen „Beziehungsspeckgürtel“ – zahlreiche, eher lose und oberfläche Beziehungen, die über Soziale Netzwerke oder Apps geknüpft, verfolgt und wenig vertieft werden – die aber trotzdem eine wichtige Funktion für Jugendliche erfüllen: zu wissen, dass man in ein umfangreiches und differenziertes Beziehungsnetz eingebettet ist, dass soziale Sicherheit vermittelt und soziale Potenziale und neue Möglichkeiten eröffnet.

Welche sozialen Konsequenzen kann diese veränderte Kommunikation haben? Positiv betrachtet ist es also für junge Menschen heute einfacher, Beziehungen zu knüpfen, zu pflegen und auch zu beenden. Andererseits führt die dauerhafte Erreichbarkeit und die ständige Kommunikation nicht zwangsläufig zu mehr Beziehungssicherheit und Beziehungsvertrauen. Bleiben Antworten auf versendete Nachrichten aus und erfolgen verzögerte oder gar keine Reaktionen bei Facebook sind Jugendliche schnell verunsichert. Fragile Beziehungsgebilder können schneller ins Wanken geraten als früher – fällt der mediale Dauerton weg, wächst die Angst vorm Alleinsein. Dabei ist dieses Alleinsein gerade auch für junge Menschen ab und an sehr wichtig – um dem Gehirn eine kognitive Pause zu können und um sozial durchzuatmen und sich zurückzulehnen. Abschalten können erfordert sehr viel Mut – bei Erwachsenen und Herwachsenen!

Quellen
Die Ofcom-Studie
Mein Kommentar zur Studie im Österreicher Kurier
Artikel in der FAZ vom 07.08.2014